Diese Ganzsache ist nicht nur eine typische Neujahrskarte mit vielen Stempeln, sondern eine Kuriosität in mehreren Ebenen. Die Neujahrskarte stammt aus dem Jahr 1975 und war für den Versand als Lotterielos für den Neujahrsgruß 1976 gedacht. Der Werteindruck entspricht 10 yen. Sie lief von Hyōgo (ein Viertel in Kobe) nach Colorado Springs im Jahr 1985.
Auf der Adressseite sieht man im unteren Abschnitt eine Losnummer, die für die Teilnahme an der Neujahrslotterie gedacht war. Insgesamt wurde die Seite mit fünf Stempel abgestempelt. Drei der Stempel sind Wertstempel, in deren Mittelsteg sich die Aufwertung 10 yen und der Hinweis „in bar bezahlt“ befinden. Pro Wertstempel wurde die Frankatur um 10 yen aufgewertet. Die zwei Wertstempel in Schwarz beinhalten die Ortsangabe Amagasaki Hamada (尼崎浜田) und der Wertstempel mit der roten Schrift Hyogo1 • Amagasaki2 Hamada3 (兵庫•尼崎浜田).
Zur weiteren Frankatur gehört die Briefmarke Michel 1531 zu 130 yen aus dem Jahr 1982 der Serie „Internationale Briefwoche“. Die Briefmarke wurde am 7. Oktober 1985 (60.10.07 = Showa 60.10.07, Showa 60 ist 1985) in Kobe4 zentral ( 神戸中央 ) abgestempelt.

Auf der Bildseite sieht man das passende Gegenstück zur ausgewählten Briefmarke. Hierbei stelle ich mir die Frage, aus welchem Grund sich auf der Vorderseite einer Neujahrskarte von 1975 sich ein Zudruck einer Briefmarke aus dem Jahr 1982 befinden kann. Meine derzeitige Vermutung ist, dass die japanische Post nicht alle produzierten Neujahrskarten in einem Jahr verkauft und ein Teil für spätere private Zudrucke verwendet.
Der Absender schreibt zu der Neujahrskarte den folgenden Text:

Dear friend Richard,
This postal card was issued in commeration of the Letter Writing Week of 1982 , quantity issued 250?
Issued by the Miyagi Philatelic Club of Sendai, Miyagi Prefecture.
This is very strange postal card, because this additional postal fee postmark is offense type, carmine color instead of black and blue, handstamped by Hamada Post office of Amagasaki. Best wishes to you.
Lieber Freund Richard, Diese Postkarte wurde anlässlich der Briefschreibwoche von 1982 ausgegeben, Auflage 250? Herausgegeben vom Miyagi Philatelic Club of Sendai, Präfektur Miyagi.
Dies ist eine sehr seltsame Postkarte, da dieser zusätzliche Poststempel vom Typ “ “ ist, karminrot anstelle von schwarz und blau, handabgestempelt vom Hamada Postamt in Amagasaki. Herzliche Grüße an Sie.
Eine weitere Frage ist die Verwendung der karminroten Farbe für die 10-yen-Aufwertung aus Hyogo • Amagasaki Hamada. In den japanischen Postämtern wurden vornehmlich Sonderstempel in roter Farbe gestempelt, da man für diese Gummistempel verwendete. Es ist fraglich, ob es sich hierbei um ein Fehler handelt oder um eine philatelistische Spielerei seitens des Absenders, da die gesamte Ganzsache in sich kurios wirkt.
- Hyogo ist eine Präfektur in der Region Kansai, berühmt für ihre Hafenstadt Kobe und ihre historischen Burgen Himeji und Takeda.
↩︎ - Amagasaki ist eine Großstadt in der Präfektur Hyōgo auf der japanischen Hauptinsel Honshū. Die zwischen den Städten Osaka und Kōbe in der Bucht von Osaka an der Mündung des Flusses Yodo gelegene Stadt ist Teil des Kansai-Ballungsraumes. ↩︎
- Hamada ist eine japanische Stadt mit Hafen am Japanischen Meer in der Präfektur Shimane auf Honshū. ↩︎
- Kōbe ist eine Großstadt in Japan auf der Insel Honshū. Die Stadt ist Sitz der Präfekturverwaltung von Hyōgo und hat einen der größten Seehäfen Japans. Die moderne, internationale Stadt bildet mit Osaka und Kyōto und kleineren Städten das Herz der Kansai-Gegend. ↩︎
Grüße aus Japan an die Familie Schlesinger (Buchhandlung Kuppitsch, Wien)
Die gezeigte Ganzsache zu 4 sen stammt aus dem Bereich der internationalen Postkarten aus Japan und gehört zum Typ FC 12. Der Absendestempel ist schlecht abgeschlagen und bezüglich des Datums sowie des Aufgabeortes kaum zu entziffern. Wahrscheinlich ist die Ganzsache ab Yokohama gelaufen. Beschrieben wurde die Ganzsache am 22.12.1900.
Zudem sieht man einen blauen Kreisstempel aus Wien mit dem Stempeltext „WIEN 1/1 / 1 / BESTELLT“ mit dem Datum 25.1.1901. Der Adressat ist Arnold Schlesinger, Buchhändler, Wien 1, Schottenring oder Schottenbastei. Gelaufen ist die Ganzsache „via San Francisco“ mit dem Zusatz „Per S/S Gaelic“.

Auf der Rückseite liest man den folgenden Text:
„Liebe Frau Schlesinger, Ich hoffe Sie im Besitz meiner letzten Karte, nun sind wir bereits hier und lassen es uns gut gehen. Was machen Sie alle? Otto ist ein großer Bub in der Zwischenzeit geworden, jetzt ist er sehr hungrig und verständig, liebt seinen Papa sehr.
Wir waren hier sehr bald eingelebt. Yokohama selbst ist nicht schön dafür die Lage, wir sehen von unserer Wohnung den Hafen. Für heute grüße ich Sie liebste Frau Schlesinger und Ihren Herrn Gemahl (?) herzlichst und bin stets Ihre (?)
Ella Weiss
Specielle Grüße von Ihrem Adoptivsohn Otto, er schläft bereits.

Arnold Schlesinger war ein jüdischer Buchhändler. Er wurde 1866 geboren und starb 1942.
In den ersten Aufzeichnungen wurde die Buchhandlung im April 1789 eröffnet. Zu damaligen Zeit erhielt Theresia Racca die kaiserliche „Befugniß zum Verkauf von Kupferstichen und alten Büchern“. Im Anschluss führe Franz Grund die Buchhandlung. Nach seinem Tod schloss seine Witwe Anna Grund mit Matthäus Kuppitsch im Januar 1821 einen Gesellschaftsvertrag. Zu diesem Zeitpunkt trug die Buchhandlung den Namen „Franz Grund sel We & Kuppitsch“.
Erst nach ihrem Tod wurde Matthäus Kuppitsch zum Alleineigentümer und wurde 1844 wurde er zum k. k. Hofbibliotheks-Antiquar ernannt. Sein Nachfolger, der die Buchhandlung von Antonie Kuppitsch nach dem Tod ihres Mannes, übernahm, war Richard Schmidt. Er änderte den Standort der Buchhandlung vom Franziskanerplatz in den Schottenring.
Nun kommt Arnold Schlesinger ins Spiel. Im Jahr 1886 trat Arnold als Gehilfe der Buchhandlung Kuppitsch bei, die er 1902 übernahm. Im zweiten Weltkrieg wurde er als Jude gezwungen, im Jahr 1938 seinen Betrieb abzugeben.
In einem Gedenkprotokoll findet man den folgenden Kaufvertrag vom 21. Oktober 1938, der zwischen Arnold Schlesinger und Franz Unger abgeschlossen werden sollte:
„Ich ARNOLD SCHLESINGER muß meinen Betrieb in kürzester Zeit arisieren und bin bereit, denselben auf Grund der zwischen mir und Herrn FRANZ UNGER mündlich getroffenen Vereinbarungen dem Herrn FRANZ UNGER unter nachstehenden Bedingungen zu verkaufen, wenn die Bewilligung der Vermögensverkehrstelle erteilt wird:
Es wird das ganze Geschäft – Warenlager, Inventar und Kartothek- dem Käufer übertragen und ihm das Recht eingeräumt, die Firma unter dem bisherigen Firmen-Wortlaute weiterzuführen. Der Kaufpreis beträgt 35.000 RM in Worten Fünfunddreißigtausend Reichsmark, von welchem Betrag keinerlei Abgaben den Verkäufer treffen dürfen, ausgenommen die Umsatzsteuer. Der Betrag von 35.000 RM muß daher mir ARNOLD SCHLESINGER rein verbleiben und habe ich von demselben lediglich die Umsatzsteuer zu bezahlen.“
Zuerst wollte Franz Unger den Betrag von 35.000 Reichsmark über einen Kredit, den er für die Kaufsumme aufnehmen wollte, bezahlen. Der Vorgang zog sich allerdings in die Länge, auch, weil Unger für seine geplante Kreditaufnahme keinen geeigneten Ansprechpartner innerhalb der nationalsozialistischen Behörden fand. Nach einer Briefkorrespondenz erhielt Unger erst am 14. Dezember 1938 die Genehmigung für den Kauf.
Arnold Schlesinger durfte mit einer Sondergenehmigung den Buchhandel bis zum 12. November 1938 offenhalten und wurde dann gezwungen, sein eigenes Geschäft zu schließen. Durch die Enteignung verlor er seine Einnahmequelle und durch die Schließung und der zäh laufenden Briefkorrespondenz zwischen Unger und den Behörden wurde der Kaufpreis immer weiter nach unten gedrückt.
Kurz nach diesem Schicksalsschlag wurde sein Schwiegersohn Otto Günther nach Dachau deportiert. Aus diesem Grund nahm Arnold Schlesinger einen Teil seiner Familie auf. So zog seine Tochter Margarete sowie ihre beiden Kinder (Zita und Monika) bei den Schlesingers ein. Aufgrund der fehlenden Einnahmequelle sah Schlesinger sich gezwungen, einen Teil der Wohnungsaustattung zu verkaufen.
Das Leben der Schlesingers verlief immer deprimierender. Erst im Januar 1940 überwies Franz Unger einen Betrag von 13.555 Reichsmark auf ein Sperrkonto. Bis zu seinem Tod im Jahr 1942 erhielt Arnold Schlesinger keinen Groschen von dieser Summe. Seine Frau, Amalie, hatte sich schon 1939 für einen Selbstmord entschieden. Die Todesursache von Arnold Schlesinger ist bis heute nicht geklärt.
Margarete konnte mit ihrem Ehemann Otto und den beiden Kindern fliehen. Sie verbrachten die Kriegszeit bis 1950 in der Schweiz, in Frankreich und New York. Kurz nach dem Kriegsende beanspruchte Margarete eine Rückerstattung der Buchhandlung Kuppitsch. Im September 1948 erhielt sie den Zuspruch und nahm 1950 mit ihrem Mann das Geschäft gemeinsam in Wien nach ihrer Rückkehr auf. Nach ihrem Tod übernahmen die Töchter Zita Seidl und Monika Beer das Familienunternehmen.
Arnold Schlesinger wurde vermutlich im jüdischen Teil des Zentralfriedhofes in Wien begraben.
Seit 2019 gehört das Traditionsunternehmen Kuppitsch zur Thalia-Bücherkette und befindet sich in der Schottengasse 4 in Wien.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kuppitsch
https://www.vetmeduni.ac.at/erinnern/forschung/provenienzforschung
Herzlichen Dank an Adriana für die Transkription!